Als Kunststück gilt eine besonders herausragende Performance, ein Hochseilakt oder einZaubertrick, eine gut einstudierte Dressurnummer. Was auf Englisch aerobatics heißt, auf Französisch voltige aérienne oder acrobaties aériennes und auf Italienisch aerobatica oder acrobazia aerea ist auf Deutsch der Kunstflug, eine Luftsportart mit Motorflugzeugen. Die einzelnen Kunststücke wie Loopings, Rollen, Sturzflug etc. sind festgeschriebene Nummern in dieser Disziplin.
Dass Kunst von Können komme, ist ein deutsches Begriffsverständnis, das vieles bezeichnet und sich ständig verändert und ausufert. In anderen Sprachen bezieht sich der Kunstbegriff auf das lateinische ars und fasst die verschiedenen klassischen Kunstgattungen und ihre Nebentrends zusammen: Bildende Kunst, darstellende Kunst, Musik, Literatur. Heute zählen viele moderne Artikulationsformen und Techniken dazu, wie Fotografie, Film, Video, Performance, Konzeptkunst.
Darüber hinaus wird der Kunstbegriff als Attribut nicht nur in Bezug auf das Kunstgewerbe verwendet, sondern auch im Showbusiness und im Sport. Es gibt nichts, was sich nicht als Kunst schmücken lässt, um besser dazustehen. Das Attribut Kunst wird als Auszeichnung und Beleg für etwas Besonderes verwendet, ein Superlativ, um auszudrücken, dass es sich um etwas Wertvolles, Außergewöhnliches handelt und sich von Ähnlichem abhebt.
Anders als etwas, das als cool gilt und massentauglich ist, tendiert die Kunst nach Höherem und ziert sich als Rarität, was in der Pop-Art zu einem paradoxen Widerspruch führt. Pop ist sowohl massentauglich als exklusiv und – abgestuft teuer. Die Edelvariante fürs Museum kostet ein Vielfaches des Posters fürs Wohnzimmer, aber sie ist nicht umsonst, sondern immer ein Konsumartikel. Natürlich hat ein Haarschnitt mit Bildhauerei zu tun und wird daher auch schon mal als Art of Hair angepriesen.
Der Begriff Kunst wird manchmal auch als Gegensatz zu dem der Natur gesehen und kommt aus diesem Blickwinkel in Bezeichnungen wie Kunststoff, Kunstherz, Kunstrasen zum Ausdruck. Kunst wird aber ebenso als Merkmal einer Geschicklichkeit verwendet, wie etwa für die Reitkunst, Kochkunst etc. Kunst ist grundsätzlich ein Handwerk, deshalb spricht man auch von der Bergmannskunst, Ingenieurskunst etc., in der es Meister gibt, die nach den Regeln der Kunst arbeiten. Und es gibt die Kunstfreiheit, ein wichtiges und bisweilen polarisierendes Grundrecht im Rahmen der Meinungsfreiheit. Kunstwerke sind urheberrechtlich geschützt und sie zu fälschen ist ein Straftatbestand – es sei denn, man gibt es zu oder deklariert die Anleihe als Zitat. Auch wenn klar ist, dass Kunst immer von Kunst kommt, ist die Schöpfungshöhe ausschlaggebend für den individuellen Eigentumsanspruch. Die Höhe der Urhebung entspricht der Falltiefe, wenn sie als falsch auffliegt. Durch seine inflationäre Verwendung ist der Kunstbegriff trivialisiert worden und lässt sich beliebig anwenden, ohne ihn damit wirklich zu erweitern. Eine Öffnung des Horizonts entsteht durch einen weiteren Kontext.
Schon in der Antike wurde zwischen den freien und den praktischen Künsten unterschieden, die noch heute als angewandte Künste einen geringeren Stellenwert haben als die freien, weil nur diese nach Ansicht der damaligen Ideologen den freien Bürgern würdig sei, den Reichen, die zum Lebensunterhalt nicht arbeiten mussten. Das waren damals die Grammatik, Rhetorik und die Logik, sowie die Arithmetik, die Geometrie, die Musik und die Astronomie. Deshalb können sich heute alle Schulabgänger als Künstler versuchen, was jedoch meistens dazu führt, den Lebensunterhalt dann doch mit einem Zweitjob zu verdienen. Die Bildende Kunst gehörte schon damals nicht dazu, sondern galt als Handwerk.
Dennoch, es gibt einiges, was die Kunst mit dem Fliegen verbindet. Beides hat mit viel Geld zu tun, Kunst ist als Anlagewert und Spekulationsware eine exklusive Angelegenheit für Privilegierte, und die Luftfahrt ist wahrscheinlich die kostenintensivste Fortbewegungsart. Aber das ist nicht das Entscheidende. Kunst ist Ästhetik und entsteht durch Anschauung und Artikulation. Bildende Kunst ist Formgestaltung, Formation, Bildung, Setzung. Kunst schafft Potenzial und im besten Fall Prozesse differenzierter Wahrnehmung. Eine experimentelle, interdisziplinäre künstlerische Praxis ist investigativ, deckt und spaltet auf und setzt Dinge neu zusammen. Damit ist sie dem Kunstflug durchaus verwandt, zumindest, was die Anfänge der technischen Fliegerei betrifft.
Aviatik ist Aerodynamik plus Mechanik und Artistik. Wer fliegen will, versucht Kontrolle über die Naturgesetze zu erlangen, braucht Risikobereitschaft und Sorgfalt. Kunst und Luftfahrt sind Ideale und entstehen aus Leidenschaft, bis hin zur Obsession. In beiden Metiers geht es um das Experiment, das Tüfteln und Ausprobieren. Sowohl die Praxis der Kunst wie der Aviatik bewegen sich am fachlich neusten Stand der Erkenntnisse und Techniken und in beiden Gebieten besteht eine permanente Absturzgefahr.