ornithoport bonn
Wenn die Bundesrepublik Deutschland als Bauträger in Erscheinung tritt, geht es entweder sehr schnell oder es dauert lang und wird endlich gut.
Der Vogelflughafen auf dem Dach der Bundeskunsthalle in Bonn wird sofort gut, denn die jüngsten politischen Entscheidungen machen aus der Initiative ein Pionierprojekt. Beim gegenwärtigen politischen Richtungswechsel geht es um mehr als den Atomausstieg, zur Debatte steht das globale Mobilitätskonzept, die Ziele der europäischen Gemeinschaft und die Ressourcenfrage.
Dabei reichen die Hintergründe für das Projekt bis in die Ära Kohl zurück, als mit der Bundeskunsthalle ein Ort der Repräsentation geschaffen wurde, dem eine Bedeutung beigemessen worden war, die sie nie erreichen konnte. Die Ironie der Geschichte liegt darin, dass sich das Ziel nun erfüllt, anders zwar als vom Bauherr gedacht, aber umso wirkungsvoller.
Die Funktion des Daches als Ausstellungsfläche ist problematisch, weil die Präsentation von Skulpturen teuer ist und immer Sicherheitsrisiken birgt. Dem Nutzungsprojekt für einen Vogelflughafen ging deshalb eine lange Diskussion über Wahrscheinlichkeitsfragen und die Grenzen der künstlerischen Freiheit voraus.
Die Abklärung statischer Fragen und dynamischer Kräfteverhältnisse führte zu einer kunstgeschichtlichen Auseinandersetzung um das Jahr 1909, dem Berliner Secessionkonflikt zwischen den etablierten Impressionisten, wie dem damals 62-jährigen Max Liebermann und den nachfolgenden Expressionisten um Emil Nolde.
1909 war auch das Jahr der Flugpioniere – in Berlin wurde der Erstflug von Orville Wright gefeiert, kurze Zeit später der von Wilhelm Heinrich Focke mit seiner selbst entworfenen Ente. Focke war auch Künstler und Fussballstar, damals gerade halb so alt wie Liebermann, über dessen Pferdebilder dieser gesagt haben soll „nee mein lieber Focke, det kann ick nicht“.
Fliegen mochte Liebermann selber nie, aber er malte öfter aus der Vogelperspektive: „Wenn Gott gewollt hätte, dass ich fliegen könnte, hätte er mich nicht Maler, sondern Drache werden lassen.“
Gerade mal 18 war Max Ernst 1909, der spätere Mitbegründer der Dada Bewegung. Kunst aus der Vogelperspektive bedeutete für ihn, visionäre Fähigkeiten zu steigern, den Zufall zu objektivieren, den „Funken der Poesie springen lassen“ , wie er im Filmporträt von Peter Schamoni sagt.
Damit ist er wie Focke einem modernen Wirklichkeitsbegriff verbunden, der sie beide von den Impressionisten und Expressionisten unterscheidet. Beide sehen im Vogelmotiv weit mehr als Bildsujets und eignen sich daher als Namensstifter für den ersten Vogelflughafen der BRD – auch wenn die grosse Ausstellung zur Eröffnung des ornithoports im Rheinland jetzt Max Liebermann zeigt.
In der nächsten Ausbaustufe wird die offene Namensfrage geklärt und der Vogelflughafen nicht nur mit dem IATA 3-letter-code identifiziert, sondern einem der beiden Pioniere gewidmet werden.